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Gibt es eine idealere Form als den Kreis?

Gibt es eine Form, die mehr in sich ruht als der Kreis?

Gibt es eine evidentere Form als den Kreis?

STÖRE MEINE KREISE!

Koho Mori-Newton zeigt die materiellen und physischen Mittel, Wege und Spuren bei der Realisierung einer idealen Form als deren andere Ästhetik ... und als ebenso sehr neue Form wie neue Materie, buchstäblich verklumpte Formen oder geformte Klumpen: BIG DOTS. Klassisch verschwindet die materielle Verrichtung im formalen Resultat. Vom »Wunderwerk« des Zirkels bleibt nur der winzige Einstich; eine sichere und geübte graphische Hand setzt auf Anhieb nahezu perfekt eine Kreislinie; ein penibler Typus radiert, retuschiert und kaschiert seine mehrfachen Ansätze und Anstrengungen. All diese oder ähnliche Verfahren wendet auch Mori-Newton bei seinen Kreisen an – schon das allein ist eine kleine Bricolage, eine Bricolage der Verfahren, eine quasimaterielle Verdichtung der Wege. Erste Kreise werden aufs Papier gesetzt, freihand, ausgehend von einem Körper, der in der Symmetrie der Kreisform nicht aufgeht, bei dem links und rechts, unten und oben qualitative Differenzen bilden. Entsprechend geraten die Kreise. Aber die Kreisbewegung wird fortgesetzt und dabei das Papier unter der Hand – statt des Zirkels auf dem Papier – in neue Positionen gegengedreht. Deformationen um Deformationen überlagern sich allmählich zur Formation. Unentwegt unterwegs korrigiert die rasche, die unvollkommene Hand das Kreisgebilde durch immer neue Kreisel. Das Material klemmt und knirscht, aber – und das ist entscheidend – der Formprozess fließt weiter. Die ideale Form fordert und lässt korrigieren, aber niemals – ebenso entscheidend – löscht sie das Materialgeschehene wieder aus oder löst es auf. Das Resultat ist ein Werden des Kreises in seinem Medium, Rotation statt in sich ruhender Idealform. Mittel und Zweck separieren sich nicht, sondern haften einander an. An den entstandenen Formen klebt noch das Unreine ihrer materiell-physischen Bewerkstelligung. Es sind verschmierte Kreise, in die Fläche verunschärfte Linien. Umgekehrt ist aber das Material an ihnen kein dunkles und verschlossenes, sondern ein positives und beredtes, formgleiches Material, visuell und ästhetisch.Die Zeichenakte haben sich zu einem Material verdichtet, aus dessen Potentialität sich lebhaftes Sehen artikuliert. Fragen wir etwa: Wo ist jeweils der Kreis in diesen Kreiselgebilden? Dingfest läßt er sich nicht machen, aber wir sehen ihn – und sehen noch vieles mehr.

Nennen wir ihn einen inexpressiven, informellen Ansatz, in dem Koho Mori-Newton mit vielfältigen ästhetischen Effekten buchstäblich hantiert, sich von ihnen überraschen lässt oder sie provoziert, mit ihnen spielt und jongliert, manchmal sogar sie einkalkuliert und mit ihnen taktiert, bis dass unter der Hand wieder neue Überraschungen sich ergeben.

... ODER DIE ENDLICHKEIT DES IDEALEN

Jürgen Geiger

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